Dienstag, 9. Dezember 2008

Chatten als Berufsvorbereitung?

Gruscheln, skypen und Videos auf Youtube anschauen sind keine Zeitverschwendung für Jugendliche. Ganz im Gegenteil, lautet das Ergebnis einer US-Studie. Die Forscher behaupten sogar: Wenn Eltern das Internet verbieten, verbauen sie ihren Kindern berufliche Chancen und drängen sie ins soziale Abseits.

Viele Eltern glauben, das Internet sei schädlich, und Myspace, SchülerVZ oder ICQ seien reine Zeitverschwendung. Das ist falsch, so das Fazit der Studie der MacArthur Foundation. "Für Jugendliche ist es unabdingbar, online soziale und technische Fähigkeiten zu erlernen. Diese brauchen sie, um im digitalen Zeitalter bestehen zu können", sagt Mizuko Ito, der die Studie leitete. 800 Jugendliche und ihre Eltern wurden bei der Studie von Forschern der University of South California und der Berkeley University drei Jahre lang bei ihrem Online-Verhalten beobachtet und befragt. Wer offline ist, gerät nicht nur sozial ins Abseits, sondern wird es auch beruflich später schwer haben, fanden die US-Forscher heraus.

Viele Erwachsene neigten dazu, die Aktivität ihrer Kinder im Internet als Freizeit und Erholung zu sehen. Sie sähen das Internet als ein Störenfried bei den Hausaufgaben. Das zeige eine Kluft im Denken der unterschiedlichen Generationen, den Eltern fehle das Verständnis, so Mizuko Ito. "Es mag einige Eltern überraschen, dass es keine Zeitverschwendung ist, wenn ihre Kinder im Internet surfen", sagt Studienleiter Ito von der University of California. "Dass Jugendliche durch das Netz faul werden oder dass zu viel Internetkonsum gefährlich ist, ist nur ein Mythos", so der Wissenschaftler weiter. Die Jugendlichen lernen im Internet wichtige Dinge: mit Freunden zu kommunizieren oder zu recherchieren. Die Wissenschaftler schließen aus der Studie gar, dass Jugendliche ohne Online-Kompetenz keine vollwertigen Mitglieder der heutigen Gesellschaft sein können.

Modernes Sozialverhalten

Neben technischen Fähigkeiten lernten die Jugendlichen viel über das Sozialverhalten innerhalb der modernen Gesellschaft im Netz, so die Studie. Ständig online erreichbar sein, die Veröffentlichung vieler persönlicher Details und nicht zu letzt die Kompetenz, ein großes Netzwerk von Freunden und Bekannten zu managen, seien essentiell. Eine soziale Vereinsamung sei ohne SchülerVZ, ICQ oder Myspace nicht aufzuhalten: "Viele Jugendliche pflegen regelmäßig ihre Kontakte bei den Chat-Programmen und sozialen Netzwerken mit ihren engsten Freunden. Sie teilen sich damit einen virtuellen Platz", heißt es in der Studie.


Veränderung von Lernstrategien

Die Forscher gehen bei ihrer Studie noch weiter: Jugendliche neigen dazu, neues Wissen von Gleichaltrigen besser aufzunehmen als von Eltern oder Lehrern. Dies könne durch das Internet zu einer Veränderung bei Lernstrategien führen. Online seien weniger Barrieren vorhanden: "Neue Medien erlauben größere Freiräume und mehr Eigenständigkeit, als es in den Wänden eines Klassenzimmers geben kann", so steht es in der Studie. "Unsere Untersuchung zeigt, wie Jugendliche mit digitalen Medien umgehen und was das für ihr Lernverhalten bedeutet.", so Connie Yowell, Leiter der Abteilung für Erziehung der MacArthur Foundation. Bildung im 21. Jahrhundert müsse man sich völlig neu vorstellen.

Im Internet können Jugendliche viel individueller ihren Interessen nachgehen, so Studienleiter Mizuko Ito. Sie sind nicht lokal gebunden und können ihre Wissbegierde besser stillen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, Gedichte, Filme oder andere kreative Arbeiten online zu stellen und mit anderen ohne Statusunterschiede zu diskutieren.

Quelle: Stern.de
http://www.stern.de/computer-technik/internet/:Jugendliche-Web-Chatten-Berufsvorbereitung/648216.html